Coaching, Selbstmanagement

Abgrenzung am Arbeitsplatz

Ein Nachbar bittet Sie, drei Wochen auf sein Haus und seinen Garten zu achten, während er mit seiner Familie auf Sommerurlaub ist. Sie sagen zu, der Nachbar würde ja dasselbe für Sie tun, obwohl er das noch nie getan hat. Dann fährt der Nachbar am Montag früh los. Montag Abend sind Sie zum ersten Mal zum Gießen dran. Das Problem ist nur: sein Grundstück hat keinen Zaun. Wo fängt Ihre Verantwortung jetzt an und wo endet sie?

Abgrenzung am Arbeitsplatz hat etwas mit Besitzdenken (ownership) zu tun. Wo ist meine Grundstücksgrenze? Was gehört (zu) mir? Welche Aufgaben verstehe ich als meine? Welche nicht?

Ich finde es immer wieder schwierig, Grenzen zu setzen, vor allem in diesen Bereichen:

  1. Aufgaben von anderen übernehmen: Ein*e Mitarbeiter*in meint, er oder sie komme mit der Veranstaltungsvorbereitung nicht zurecht, er oder sie schaffe es nicht mehr rechtzeitig, die Stühle aufzustellen und die Unterlagen auszudrucken. Sie helfen ihm oder ihr – und übernehmen damit die Aufgabe von jemand anderem. Das ist in Notsituationen löblich, wenn es allerdings zum Alltag wird, dann haben Sie ein Abgrenzungsproblem. Für welche Aufgaben werden Sie bezahlt und wofür sind Sie am Ende des Tages gegenüber den Vorgesetzten verantwortlich? Nur diese Aufgaben sollten Sie regelmäßig verrichten.
  2. Zu viel und zu lange arbeiten: Eine Vorgesetzte in einer Versicherung stellt eine neue Sekretärin für 20 Wochenstunden ein und übergibt ihr am ersten Arbeitstag ihre neuen Aufgaben. Diese geht in ihr Büro und sondiert die Aufgaben. Nach einiger Zeit klopft sie bei der Vorgesetzten und sagt: „Sie haben da ein Problem.“ Die Vorgesetzte antwortet: „Warum denn?“ „Sie haben mir gerade Arbeit für 40 Wochenstunden gegeben, mich aber nur für 20 Wochenstunden angestellt. Welche der Aufgaben soll ich nun erledigen und welche nicht?“  Die Sekretärin handelt klug und delegiert das Aufgabenproblem zurück an die Quelle, an die Vorgesetzte. Die Sekretärin hat gesunde Grenzen und weiß, was sie in 20 Wochenstunden schaffen kann. Sie möchte nicht vom ersten Tag an Überstunden leisten und damit chronisch zu viel und zu lange arbeiten.
  3. Kritische Stimmen: Sich von kritischen Personen abzugrenzen, ist für die eigene Arbeitshaltung wichtig. Wenn am Arbeitsplatz permanent Kritik geäußert wird (am System, am Vorgesetzten, an Kund*innen etc.) oder kritisches Jammern und Lästern an der Tagesordnung stehen, und Sie sich davon beeinflussen lassen, dann haben Sie ein Abgrenzungsproblem. Halten Sie Abstand und internalisieren Sie nicht deren Meinungen. Wenn möglich, suchen Sie das Gespräch und erklären Sie, wie deren Haltung auf Sie wirkt.
  4. Prioritäten setzen: Legen Sie fest, was Sie bereit sind, zu leisten. Wie viele Dienstreisen pro Jahr möchten Sie machen? (z.B. 50 Tage pro Jahr)? Wie viele Abendtermine pro Monat sind für Sie in Ordnung? (z.B. 2 pro Monat) Wie oft sind Sie bereit, für KollegInnen einzuspringen, wenn der Hut brennt? etc. Wenn Sie nicht wissen, was Sie wollen, weiß es Ihr Arbeitgeber sicher auch nicht.
  5. Schwierige Kolleg*innen oder Mitarbeiter*innen: In manchen Situationen liegt es an den anderen. Ganz klar. Sie kommuniziert schlecht. Sie gibt mir unklare Arbeitsanweisungen. Sie lässt sich viel zu lange für Entscheidungen Zeit. Das ist alles nicht mein Problem. Doch ist es. Denn die Problemursache bei den anderen zu suchen, ist ein Grundübel beim Abgrenzen. Kommen Sie mit einer vermeintlich schwierigen Person nicht zurecht, dann ist das Ihr Thema und Sie müssen sich damit beschäftigen und womöglich selbst etwas verändern.
  6. Von der Arbeit zu viel erwarten: Zu guter Letzt, erwarten Sie nicht zu viel von Ihrer Arbeit. Ihr Chef ist nicht Ihr Vater. Ihre Mitarbeiterinnen sind nicht Ihre Töchter. Erarbeiten Sie sich ein gutes Unterstützungsnetzwerk außerhalb der Arbeit, in dem Sie Probleme besprechen können.

Mein Fazit: The job doesn’t own you.